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Umweltmonitoring im Nationalpark Harz

Allgemein

Nationalparke haben den klaren Auftrag: „Natur Natur sein lassen“. Nach einer zeitlich begrenzten Übergangsperiode wird die weitere Entwicklung in den Lebensräumen auf einem Großteil der Fläche allein der Natur überlassen. Keine andere Schutzgebietskategorie verfolgt diesen Weg so konsequent. Wie aber laufen die Vorgänge ab, über die die Kulturlandschaft sich in eine sekundäre Naturlandschaft wandeln wird?

Es besteht die einmalige Chance, diesen Weg in einer beispiellosen Umbruchsphase im Harz zu verfolgen. Daher muss es Aufgabe des Umweltmonitorings im Nationalpark Harz sein, die langfristige Entwicklung der vorhandenen Lebensräume (z.B. der Wälder, Gewässer und Moore) mit deren Lebensgemeinschaften zu untersuchen, zu dokumentieren und so zur Erforschung der zugrunde liegenden dynamischen Prozesse beizutragen.

Die im Nationalpark gewonnenen Erkenntnisse zum Ablauf natürlicher Prozesse sowie zum Aufbau, zur Struktur und zur Dynamik verschiedener Lebensgemeinschaften stehen der Naturschutzarbeit sowie der naturnahen Waldbewirtschaftung auch außerhalb des Parks zur Verfügung. Hierzu wird ein umfangreicher, langfristig nutzbarer Datenbestand aufgebaut, der auch für künftige Fragestellungen relevante Informationen liefern kann.

Waldforschungsflächen

Der Nationalpark Harz mit einer Fläche von 24.732 ha ist zu ca. 97 % bewaldet. Verschiedene Waldgesellschaften von der kollinen (230 m ü. NHN im Norden und 270 m ü. NHN im Süden) bis zur supramontanen Vegetationsstufe (Brocken 1.141 m ü. NHN) sind hier anzutreffen. Somit liegt nahe, dass die Waldforschung einen wichtigen Arbeitsschwerpunkt der Nationalparkarbeit darstellt.

Insgesamt vier Waldforschungsflächen sind zentrale Bausteine für ein langfristiges Monitoring der repräsentativen Waldgesellschaften und ihrer natürlichen Entwicklung. Sie sind Kernstück des Programms „Dauerbeobachtungsflächen im Nationalpark Harz". Die in den Waldforschungsflächen untersuchten Themen gehen weit über die Beschreibung der reinen Bestandesdynamik hinaus. Detaillierte Untersuchungen zur Flora und Fauna ermöglichen Einblicke in ökosystemare Zusammenhänge und sind ihrerseits Grundlage für das langfristige Monitoring.

Um den verschiedenen Fragestellungen in der Waldforschung gerecht zu werden, erfolgt die Einrichtung von 1 ha großen Kernflächen, eines Stichprobenrasters (100 x 100 bzw. 150 x 150 m) mit Probekreisgrößen von 0,1 ha und die Auswahl von Fallenstandorten für die faunistischen Untersuchungen im Bereich der Kernflächen. Die Aufnahmen in den Waldforschungsflächen erfolgen in einem Turnus von ca. zehn Jahren.

Bei der Inventarisierung der Waldstrukturen werden alle liegenden und stehenden Bäume, getrennt nach lebend und tot, erfasst. Parameter wie z.B. Baumart, Höhe, Durchmesser, Zersetzungsgrad des Holzes und ökologisch wertvolle Kleinstrukturen werden aufgenommen. Hinzu kommt die Dokumentation der Gehölzverjüngung. Alle Daten werden im Gelände digital erfasst. Bei der Datenverwaltung und Auswertung wird der Nationalpark durch die Nordwestdeutsche Forstliche Versuchsanstalt (NW-FVA) in Göttingen unterstützt.

Zum definierten Standardprogramm in den Waldforschungsflächen kommen spezifische Begleituntersuchungen wie z.B. Gewässer-, Vogel-, Fledermaus-Monitoring und die Tier- und Pflanzenarteninventarisierung hinzu. Zur visuellen Dokumentation sind Fotopunkte eingerichtet. Um die klimatische Entwicklung langfristig zu dokumentieren und um die Ergebnisse mit den Witterungsverhältnissen während der Untersuchungsperioden abzugleichen, werden im Bereich der Waldforschungsflächen lokale Klima-Messstationen betrieben.

Pflanzengesellschaften

Eine wesentliche Aufgabe des Nationalparks ist die wissenschaftliche Dokumentation und Bewertung ökologischer Veränderungen im Gebiet, die sich als Ergebnis von dynamischen Sukzessionsprozessen, aber auch von Initialmaßnahmen im Bereich der Naturentwicklungszone einstellen. Es ist deshalb wichtig, die Ausgangssituation der vorhandenen Pflanzengesellschaften flächendeckend für den Nationalpark zu dokumentieren. Somit besteht die Möglichkeit, die zukünftigen dynamischen Entwicklungen im Park zu analysieren und zu bewerten.

Die Kartierung der Pflanzengesellschaften ist außerdem eine wichtige Grundlage für die Erfassung der Lebensraumtypen nach der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie (FFH).

Aufgrund der vielfältigen naturräumlichen Ausstattung des Nationalparks (z.B. Klima, Höhenlage, Geologie, Wasserhaushalt/Gewässer, Relief) sind die Pflanzengesellschaften sehr vielgestaltig.

Die Pflanzengesellschaften und die Vegeta­tionsstrukturen werden im Gelände durch erfahrene Vegetationskundler erfasst. Zu jeder im Gelände abgrenzbaren Pflanzengesellschaft gibt es eine Vegetationsaufnahme. Alle Daten werden im Geografischen Informationssystem verwaltet und bieten somit eine Vielzahl von Auswertungs- und Vergleichsmöglichkeiten. Die Aufnahmen erfolgen in einem Turnus von 10-15 Jahren.

Beim ersten Kartierdurchgang wurden insgesamt 116 Kartiereinheiten (Pflanzengesellschaften und sonstige Kategorien wie z.B. Fichtenforste, Sukzession in Nadelbaumartenpflanzungen) nach Braun-Blanquet erfasst.

Gewässer-Monitoring

Der Nationalpark wird von einer Vielzahl von naturnahen Bächen und kleinen Flüssen durchzogen und gehört mit seinen rund 685 km Fließstrecke zu den fließgewässerreichsten Regionen Deutschlands. Die Fließgewässer zeichnen sich durch niedrige Temperaturen, einen hohen Sauerstoffgehalt, eine hohe Fließgeschwindigkeit, grobes Sohlsubstrat (Felsblöcke, Schotter, Kies) und eine auf Algen, Moose und Flechten reduzierte Wasservegetation aus. Neben den Fließgewässern sind im Nationalpark anthropogen entstandene Stillgewässer, wie Talsperren und Teiche zu finden.

Der Nationalpark Harz nimmt 10 % der Gesamtfläche des Gebirges ein und deckt alle Mittelgebirgs-Höhenstufen ab. Deshalb sind die Fließgewässeruntersuchungen von besonderer Aussagekraft für den gesamten Naturraum.

Den Schwerpunkt des Gewässer-Monitorings bilden die Daueruntersuchungsstrecken (Gewässerabschnitte). Jährlich werden hier das Makrozoobenthos (Kleinlebewesen der Gewässersohle) und der Fischbestand (Anzahl und Größe) erfasst. Der jeweils letzte Fundpunkt bachaufwärts wird mittels GPS-Gerät festgehalten. Somit kann der Aufstieg der jeweiligen Art dokumentiert werden. Im Mittelpunkt der Untersuchungen steht die Bachforelle, die als „Bioindikator" und Endglied der Nahrungskette von besonderer Aussagekraft ist. Bei Folgeuntersuchungen können so Ausbreitungs- oder Rückzugstendenzen ermittelt werden. Des Weiteren wird im Bereich der Daueruntersuchungsstrecken (z.B. Ecker, Ilse, Bode und Sieber) in regelmäßigen Abständen die Wasserbeschaffenheit untersucht. Dabei geht es um die Erhebung von Grundlagendaten zur chemisch-physikalischen Gewässerbeschaffenheit repräsentativer Fließgewässer in Höhenlagen zwischen 550 und 800 m ü. NHN. Die Erstaufnahme erfolgte in den Jahren 2009 bis 2012 in Kooperation mit den Harzwasserwerken. Die Proben wurden im 14-tägigen Rhythmus durch ge­schultes Personal des Nationalparks genommen. Aus den Ergebnissen lassen sich sowohl die aktuelle Gewässersituation aber auch spätere Veränderungen des Fließgewässerchemismus z.B. in Hinblick auf externe Stoffeinträge oder Veränderungen des Klimas ableiten.

Darüber hinaus erfolgt in bestimmten Zeitabständen eine Fischbestandserhebung im gesamten Nationalpark, um einen Überblick über die vorkommenden Arten und deren aktuelle Verbreitung zu bekommen.

Brutvogel-Monitoring

Vögel eignen sich sehr gut als Indikatoren, da sie oft eng an Habitatstrukturen gebunden sind. Aufgrund ihrer Mobilität können sie schnell auf Veränderungen im Lebensraum reagieren. Durch die Faszination und das breite Interesse an diesen Tieren sind die Vögel vergleichsweise gut erforscht, so dass zur Interpretation der Daten auf ein umfangreiches Wissen zur Ökologie der Tiere zurückgegriffen werden kann.

Im Nationalpark Harz besteht das Brutvogel-Monitoring aus vier Teildisziplinen:

Monitoring häufiger Brutvögel (MhB)
Wie im bundesweiten Programm des Dachverbands Deutscher Avifaunisten (DDA) beruht diese Methodik auf einem, im Nationalpark verdichteten Stichprobennetz von Probequadraten. Entlang einer vorgegebenen Route werden hier alle häufigen Brutvögel erfasst (Linienkartierung). Diese recht aufwendigen Kartierungen erfolgen überwiegend durch Ehrenamtliche. Die hohe Anzahl an Probequadraten ermöglicht es, Populationsdynamiken innerhalb des Nationalparks langfristig zu beobachten und im Hinblick auf strukturelle Veränderungen im Rahmen der fortschreitenden Waldentwicklung zu analysieren. Gleichzeitig fließen die hier erfassten Bestandszahlen in den bundesweiten und europäischen Datenpool ein und tragen somit zu einer großflächigen Erfassung bei.

Monitoring wertgebender Arten der EU-Vogelschutzgebiete
Fast das gesamte Territorium des Nationalparks Harz trägt den Schutzstatus Europäisches Vogelschutzgebiet, eine Gebietskategorie im Schutzgebietssystem Natura 2000 der Europäischen Union. Diese Schutzgebiete wurden für bestimmte sog. wertgebende Arten, wie z.B. Sperlingskauz und Wanderfalke, ausgewiesen. Um die Entwicklung der Populationen und ihren Erhaltungszustand beurteilen zu können, werden in Zusammenarbeit mit den Vogelschutzwarten der Länder regelmäßig speziell auf diese Arten zugeschnittene Kartierungen durchgeführt.

Weitergehende Populationsstudien
Umfangreichere Populationsstudien innerhalb des Nationalparks werden durch eigene Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und Ehrenamtliche durchgeführt. Beispiele hierfür sind Ringdrossel, Wasseramsel oder Kleinhöhlenbrüter. Durch gesonderte Kartierungen, Beringungsprogramme und ggf. vertiefende Studien sollen so Populationsdynamiken und mögliche Einflussfaktoren bzw. Rückgangsursachen untersucht werden.

Artspezifisches Monitoring
Für seltene Arten wie Wanderfalke und Schwarzstorch übernehmen Artspezialisten die jährlichen Bruterfolgskontrollen.

Fledermaus-Monitoring

Durch ihre vielfältigen Lebensraumansprüche sind Fledermäuse sehr gute Indikatoren für naturnahe Wälder. Sie nutzen im Jahresverlauf insektenreiche Bereiche wie Lichtungen als Jagdgebiet, Linienstrukturen als Flugrouten, Baumhöhlen, abstehende Rinde, Risse in Baumstämmen, Felsspalten und viele andere Habitatstrukturen als Wochenstuben-, Männchen- oder Balzquartiere. Zur Überwinterung werden beispielsweise Stollen, Fels- und Baumhöhlen aufgesucht. Alle heimischen Fledermäuse gehören zu den gefährdeten und besonders oder streng geschützten Arten nach nationalem und internationalem Recht, für die der Nationalpark auch als FFH-Gebiet eine besondere Verantwortung trägt. Deshalb wird mit verschiedenen Methoden versucht, mehr über Vorkommen, Verbreitung und Lebensweise der Fledermäuse im Nationalpark zu erfahren.

Im Sommer werden festgelegte Routen monatlich mit Fledermausdetektoren begangen. Zusätzlich werden sogenannte Horchboxen eingesetzt, die Fledermausrufe automatisch aufzeichnen.

Informationen zu Fledermausvorkommen liefern auch Fledermauskästen, die regelmäßig kontrolliert werden. In festgelegten Gebieten werden außerdem Netzfänge durchgeführt. Dabei gelang 2012 erstmals der Nachweis der Nymphenfledermaus und 2014 der der Mückenfledermaus. In den Jahren 2013 und 2015 wurden Telemetriestudien durchgeführt, um zu klären, welche Strukturen von Mopsfledermäusen als Wochenstubenquartiere genutzt werden.

Seit 2011 erfolgt einmal jährlich eine Kontrolle der bekannten Winterquartiere durch einen Fledermausspezialisten.

Inventarisierung der Arten

Auf Basis des Nationalparkplans erfolgt eine Inventarisierung der Tier- und Pflanzenarten (Grunddatenerfassung). Da ein dynamisches Schutzgebiet auch in seinem Artenbestand einer Entwicklung unterworfen ist, werden die Aufnahmen laufend fortgeführt. Die Ergebnisse der Bestands­erfassung werden in Artenlisten zusammengestellt. Bisher konnten z.B. ca. 1.500 Käferarten, 420 Webspinnenarten, 123 Vogelarten, 18 Fledermausarten, 1.714 Pilzarten, 573 Flechtenarten und über 1.000 Farn- und Blütenpflanzen nachgewiesen werden.

Alle Daten werden in einer Artdatenbank erfasst. Die Da­tenbank ermöglicht es, eine Vielzahl von Informationen zu hinterlegen (z.B. Beobachter, Funddatum, Sammlung, Quelle, Anzahl, Informationen zum Biotop bis hin zu den GPS-Koordinaten). Auf Grundlage dieses umfangreichen Datenpools bestehen eine Vielzahl von Auswertemöglichkeiten. Im Rahmen der Schriftenreihe aus dem Nationalpark Harz sind bisher für folgende Artengruppen kommentierte Artenlisten erschienen: Großpilze, Moose, Libellen und Webspinnen.

Impressum

Nationalpark Harz, Lindenallee 35, 38855 Wernigerode
Tel. 0 39 43 / 55 02 - 0, Fax 0 39 43 / 55 02 - 37,
poststelle@nationalpark-harz.de

2015

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