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Waldentwicklung im Nationalpark Harz

Allgemein

Ehemalige Fichtenforste auf dem Weg zur Waldwildnis

Durch jahrhundertelangen Einfluss des wirtschaftenden Menschen haben sich unsere Wälder weit von ihrer Ursprünglichkeit entfernt. Bergbau und Hüttenwesen haben auch im Harz große Bereiche des ehemaligen Urwaldes verändert. Daher ist der Nationalpark Harz, so wie viele Wald-Nationalparke in Deutschland, ein Entwicklungsnationalpark. Das bedeutet, dass in einem Übergangszeitraum hier noch Maßnahmen zur Renaturierung durchgeführt werden können.
Im Nationalpark Harz sind dies nicht nur Maßnahmen wie Moorrenaturierung und Wegerückbau, sondern vor allem Hilfen zur Waldentwicklung, wie z.B. Pflanzungen von heimischen Laubbaumarten. Diese dienen dazu, dass aus strukturarmen und einförmigen Fichtenbeständen wieder strukturreiche Laub- und Mischwäldern werden.
In der Vorstellung vieler Menschen ist der Harz eng verbunden mit dunklen Nadelwäldern. Von Natur aus wäre dieses Mittelgebirge aber bis zur Höhe von ca. 800 Metern von Buchen- und Buchen-Fichten-Mischwäldern geprägt. Nur in den höchsten Lagen würden natürliche Bergfichtenwälder wachsen, denn für die Buche ist das Klima der Hochlagen zu rau. Buchenwälder würden ohne menschliches Wirken zwei Drittel der Nationalparkfläche bedecken, aktuell wachsen aber nur auf einem knappen Fünftel der Fläche Laubwälder.

Waldentwicklung im Nationalpark Harz

Maßnahmen zur Waldentwicklung werden nur in den Naturentwicklungsbereichen des Nationalparks Harz durchgeführt. Im Naturdynamikbereich, der „Kernzone“ des Nationalparks, bleibt die Natur bis auf wenige Ausnahmen sich selbst überlassen.

Alle Maßnahmen, insbesondere die Pflanzung, verbessern die Ausgangssituation für die Buche und etablieren Samenbäume für künftige Generationen strukturreicher und stabiler Wälder. Im Nationalpark sind bisher die Möglichkeiten der natürlichen Verjüngung der Buche noch ungünstig, weil Altbuchen fehlen und mit ihnen die Bucheckern.
Wurden bisher dunkle, geschlossene Fichtenbestände nach der Pflanzung gezielt aufgelichtet, um das notwendige Licht für das Wachstum angepflanzter Buchen auf den Waldboden zu lassen, hat sich die Situation seit 2018 zunehmend gewandelt. Bedingt durch die klimatischen Veränderungen hat die Waldentwicklung eine große Dynamik bekommen. Stürme, Hitze und Trockenheit führten zu massiver Vermehrung des Achtzähnigen Fichtenborkenkäfers, auch Buchdrucker genannt. Diese Art kann sich in kurzen Zeiträumen massenhaft vermehren und großflächig Fichten zum Absterben bringen. Besonders betroffen sind die Reinbestände aller Höhenlagen, auf den ersten Eindruck mit zum Teil erschreckenden Bildern. Auflichtungsmaßnahmen für die kleinen Laubbäume sind jetzt in aller Regel nicht mehr notwendig.
Die durch den Borkenkäfer abgestorbenen Fichten verbleiben größtenteils in der Fläche, denn sie haben wichtige ökologische Funktionen. Sie stoppen den Wind, werfen Schatten, vermindern die Sonneneinstrahlung und halten somit Feuchtigkeit im Boden und in der Luft. Sie sind Lebensgrundlage einer Vielzahl von Lebewesen und geben während ihrer Zersetzung langsam Nährstoffe für das weitere Waldwachstum ab.
Der größere Lichteinfall nach dem Absterben der Fichten lässt auch die Anpflanzung von Pioniergehölzen zu, die einen größeren Lichtbedarf haben. Dazu gehören u.a. Birken, Weiden und Aspen. Sie stehen ökologisch oft am Anfang von Waldentwicklungen nach Störungen wie Sturm oder Borkenkäfervermehrungen und bereiten das Einwandern von Schattbaumarten wie der Buche vor.
Ist der Fortbestand der Buchen in den tieferen Lagen gesichert, werden diese Flächen in den Naturdynamikbereich, die „Kernzone“ des Nationalparks, überführt. Hier finden keine menschlichen Eingriffe statt außer Sicherungsmaßnahmen an öffentlichen Straßen und Wegen sowie die Wildtierregulation.

Auch in den Bergfichtenwäldern der Hochlagen erfolgen keine Eingriffe mehr. Hier wird der Wald sich selbst überlassen und es entwickeln sich natürliche Fichtenwälder mit vollkommen anderen Strukturen als in den ehemaligen Fichtenforsten. Alte und junge Fichten stehen unterschiedlich dicht beieinander, dazwischen wachsen Mischbaumarten wie Birke, Eberesche, Weiden oder Aspe.

Naturerbe Buchenwälder

Die Förderung der Buche beruht auf der besonderen Verantwortung Mitteleuropas und Deutschlands für die Rotbuche (Fagus sylvatica). Sie hat hier das Zentrum ihres Verbreitungsgebietes. Als einzige Baumart kann die Buche auf günstigen Standorten Wälder bilden, die in der Baumschicht zu fast 100 % aus nur einer Art bestehen. Diese Wälder sind zwar arm an Baumarten, aber reich an teilweise selten gewordenen Pflanzen- und Tierarten, die speziell an die Verhältnisse im Buchenwald angepasst sind. Die natürlichen Buchenwaldgesellschaften Mitteleuropas beherbergen ca. 10.000 Tier-, Pflanzen- und Pilzarten! Viele von ihnen sind auf das Vorhandensein von Totholz angewiesen.

Klimawandel und Borkenkäfer - neue Herausforderungen

In den vergangenen Jahren ist der Klimawandel auch im Harz deutlich spürbar. Wetterextreme wie z.B. Stürme, aber auch lange Hitze- und Trockenperioden haben zugenommen. Darunter leidet vor allem die Fichte, die ein kühlfeuchtes, ausgeglichenes Klima zum Wachsen benötigt. Die klimatischen Veränderungen schwächen die Fichten und damit werden sie anfällig für den Buchdrucker. Die Jahre 2018 und 2019 haben gezeigt, wie kompromisslos die Natur agiert. Besonders deutlich wird das in den gleichaltrigen Fichtenreinbeständen. Hier können Borkenkäfer Fichten großflächig zum Absterben bringen.

In den natürlichen Bergfichtenwäldern der Hochlagen gehören Borkenkäfer zur natürlichen Artenausstattung. Hier sorgen sie für Verjüngung, indem abgestorbene Bäume Platz für den Nachwuchs machen. Das Totholz verbleibt im Wald und ist Lebensraum für viele Organismen, die in Wirtschaftswäldern so nicht mehr vorkommen. So entsteht Waldwildnis.

Nur in einem Sicherungsstreifen von ca. 500 Metern Breite entlang der Außengrenze des Nationalparks wird der Borkenkäfer konsequent bekämpft, um den Einfluss auf die benachbarten Wirtschaftswälder zu reduzieren. Die vom Borkenkäfer besiedelten Fichten werden gefällt und abtransportiert, bevor die Borkenkäferlarven sich zu Jungkäfern entwickelt haben, die sich auf weitere Bäume verbreiten könnten. Deshalb ist in diesen Bereichen häufig Forsttechnik im Einsatz und es können auch Kahlflächen entstehen. Diese werden schnell von Pionierbaumarten wie der Birke besiedelt. Auch hier werden ergänzend Buchen an geeignete Stellen gepflanzt.
Die Situation der beschleunigten Waldentwicklung durch die Klimaveränderungen und den Borkenkäfer stellt die Nationalparkverwaltung vor neue Herausforderungen. Notwendige Maßnahmen der Verkehrssicherung an öffentlichen Straßen, Ortsrandlagen und touristischen Einrichtungen werden umfänglicher und erfordern zeitnahes Handeln.

Wald und Wild

Voraussetzung für eine natürliche Waldentwicklung sind angepasste Wildtierbestände. Rothirsch und Reh gehören zum Harzer Wald. Und zu ihrem arttypischen Verhalten gehört es, Blätter, Knospen und Rinde von Bäumen zu fressen. Zu hohe Wildbestände führen jedoch zu einer starken Beeinträchtigung der Vegetationsentwicklung und machen deshalb im Nationalpark Harz die Regulierung von Rothirsch und Reh notwendig.

Natur Natur sein lassen

Mit den Initialmaßnahmen wird der Grundstein für die Wälder von morgen gelegt. Nach dieser Starthilfe dürfen sie sich vom Menschen unbeeinflusst weiterentwickeln und so zur Waldwildnis werden. Auch die Buche bekommt so eine reelle Chance, sich jenes Terrain zurückzuerobern, das sie in der Vergangenheit durch den Einfluss des wirtschaftenden Menschen verloren hat.
Die in den Naturdynamikbereich überführten Naturentwicklungsflächen ergänzen die Bereiche, die schon heute sehr naturnahe Wälder im Nationalpark Harz beherbergen. Im Naturdynamikbereich wird die Idee des Prozessschutzes „Natur Natur sein lassen“ verwirklicht. 2016 betrug der Anteil des Naturdynamikbereichs bereits 60 %. Im Jahr 2022 werden es mindestens 75% sein. Damit erreicht der Nationalpark Harz sein Ziel, auf drei Viertel der Fläche frei von steuernden Eingriffen zu sein, wodurch auch die Phase des Nationalparks Harz als Entwicklungsnationalpark zu Ende geht. Mit dem Nationalparkplan, der 2021 fortgeschrieben wird, werden die Ziele der Waldentwicklung auf den verbliebenen 25 % der Fläche festgeschrieben.

Weiterführende Informationen erhalten Sie unter www.nationalpark-harz.de, bei den Nationalpark-Revierleitern oder in unseren Nationalparkhäusern und -Besucherzentren.

 

 

Impressum

Nationalpark Harz, Lindenallee 35, 38855 Wernigerode
Tel. 0 39 43 / 55 02 - 0, Fax 0 39 43 / 55 02 - 37
poststelle@nationalpark-harz.de, www.nationalpark-harz.de

2. Auflage, 2020

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