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Datum: 20.12.2021

Brockenplateau ist Heimat seltener und gefährdeter Zikaden

Zoologe Dr. Witsack hat die Zikadenarten in verschiedenen Offenlandbereichen des Nationalparks Harz erfasst.

Wenn von Zikaden die Rede ist, denken viele Menschen vermutlich an Urlaube am Mittelmeer oder in tropischen Ländern, wo das Zirpen dieser Insekten die Luft erfüllt. Oder sie haben vielleicht Berichte über das spektakuläre massenhafte Auftreten der sogenannten 17-Jahre-Zikaden in den USA gesehen. Weit weniger bekannt dürfte die Tatsache sein, dass auch in Deutschland mehr als 600 Arten dieser Tiergruppe heimisch sind.

Weil sie zudem in hoher Zahl vorkommen, üben die Zikaden als Pflanzensaft saugende Insekten nicht nur einen großen Einfluss auf die Vegetation aus, sondern haben auch eine wichtige Funktion als Nahrung für viele andere Tiere. Sie haben damit große Bedeutung für die Ökosysteme, in denen sie vorkommen. 

Die meisten Zikaden sind sehr auffällig gefärbt, aber dennoch gut getarnt und hervorragend an ihre Umgebung angepasst. Der Großteil der heimischen Arten ist mit einer Körpergröße von unter einem Zentimeter recht klein, weshalb sie bei einem Naturspaziergang wohl seltener als andere Insekten wahrgenommen werden. 

Zikaden reagieren sensibel auf Veränderungen der Umwelt

Für Wissenschaftler und Ökologen sind Zikaden besonders interessant, weil sie häufig eine sehr enge Bindung an bestimmte Lebensräume und Futterpflanzen haben und besondere Ansprüche an die Umweltbedingungen in ihrem jeweiligen Habitat stellen. Auch reagieren sie sensibel und relativ schnell auf Veränderungen in ihrer direkten Umwelt. Darum können sie bei wissenschaftlichen Untersuchungen als Zeigerarten (Bioindikatoren) dienen und geben Aufschluss über den Zustand ihres Lebensraumes. Über ein Drittel der heimischen Arten sind bundesweit gefährdet oder bereits ausgestorben.

Über die Zikadenarten auf Wiesenstandorten bzw. Offenlandhabitaten des Harzes existierten bisher nur wenige Angaben, und auch von den Offenstandorten des Hochharzes fehlten bis vor einigen Jahren systematische Untersuchungen. Diese Lücke hat nun Zoologe Dr. Werner Witsack, ehemaliger Hochschullehrer der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg und ausgewiesener Zikadenexperte, mit einer Forschungsarbeit im Auftrag der Nationalparkverwaltung Harz geschlossen. Er hat über vier Jahre (2013 bis 2015 und 2017) die erste Erfassung der Zikaden in verschiedenen Offenlandbereichen des Nationalparks im Gebiet von Sachsen-Anhalt vorgenommen. 

Der Brocken ist als Extrem-Standort herausragend

2017 war im Rahmen dieser Untersuchungen auch der höchste Gipfel des Harzes an der Reihe. „Der Brocken ist durch seine Höhenlage und die dadurch bestehenden besonderen ökologischen Bedingungen als Extrem-Standort herausragend", schreibt Witsack in seiner wissenschaftlichen Arbeit. „Daher war es von besonderem Interesse, die Zikadenfauna dort zu untersuchen." 

Auf fünf Untersuchungsflächen des Brockenplateaus mit unterschiedlichen Vegetationsstrukturen hat er dafür die kleinen Insekten mit standardisierten Methoden gefangen. Neben einem Insektenkescher benutzte Witsack dafür einen motorbetriebenen Laubsauger mit einem modifizierten Saugrohr. Insgesamt wurden so 1.872 Zikaden gefangen, die 45 Arten zugeordnet werden konnten.

Elf der gefundenen Arten stehen auf der Roten Liste Deutschlands

Darunter waren elf Arten, deren Bestände bundesweit als gefährdet angesehen werden und die deshalb auf der Roten Liste Deutschlands stehen. Drei der auf der Brockenkuppe nachgewiesenen Zikaden gelten sogar als deutschlandweit stark gefährdete Arten (Rote Liste-Kategorie 2). Damit haben sich die untersuchten Offenlandflächen trotz des dort herrschenden rauen Klimas als vergleichsweise artenreich und aus ökologischer und naturschutzfachlicher Sicht wertvolle Habitate erwiesen, stellt der Insektenforscher fest. „Die trotz der Höhenlage beobachtete Artenfülle auf den Untersuchungsflächen verbunden mit der Existenz von ökologisch anspruchsvollen Arten ist ein Hinweis für die hohe Umweltqualität der untersuchten Habitate auf dem Brocken."

Die Arbeit ist im Internet zu finden unter:
https://www.nationalpark-harz.de/de/downloads/wissenschaftliche-arbeiten/
oder https://public.bibliothek.uni-halle.de/index.php/cicadina/index

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